1. Brigitte Beuke: Der erste große Verlust meines Lebens
2. Uwe Knabe: Von störrischen Schafen und schießenden Gänsen
3. Simone Wollermann: Ein blaues Kleid zum sieben Geburtstag
Brigitte Beuke (66) ist Unnaerin. Der im Text erwähnte Luftschutzkeller gehörte zur Metallgießerei Michel am Uelzener Weg. Brigitte Beuke, geborene Tietz, wohnt an der Massener Straße. Ihr Mann Dieter ist „Nachtwächter”.
Der erste große Verlust meines Lebens
Von Brigitte Beuke
„Bär”, das war sein Name. Er war ein Geschenk von Onkel. Onkel hieß eigentlich Onkel Anton und kam aus Essen-Dellwig. Er war Omas Bruder und so ganz anders als Oma, die bei uns lebte. Oma war ernst und streng. Onkel war lustig und zärtlich.
Bär hatte nur einen Arm, und an diesem einen Arm schleppte ich ihn mit mir herum. Es war während des Krieges, und ich war noch sehr klein. Die Erinnerung aber ist lebendig, vielleicht wegen der harten Zeit. Bär war mein ständiger Begleiter. Auch wenn mitten in der Nacht die Sirenen heulten und wir in Windeseile versuchten, zum Luftschutzkeller zu kommen, war er dabei. Und ich tröstete ihn und machte damit mir selber Mut: „Keine Angst, Bär, ich bin bei dir, ich beschütze dich. Du musst nur aufpassen, wenn du Phosphor siehst, brennendes Phosphor. Wenn du damit in Berührung kommst, brennt es an dir immer weiter und lässt sich nicht löschen.” Das schärfte mein Vater mir wieder und wieder ein. Und ich gab es an Bär weiter.
Ich habe die gespannte Ruhe im Luftschutzkeller im Gedächtnis, den Geruch. Aber Bär war ja bei mir, Bär, den ich beschützen musste. Bis ich ihn eines Tages nicht mehr beschützen konnte. Wir wurden in unserem Keller verschüttet, irgendwann durch eine Luke gezogen.
Aber Bär war weg. Der erste große Verlust meines Lebens, die erste tiefe Trauer. April 45, ich war 4 Jahre alt.